Wie Berlin die Banken schließen könnte

Handelsblatt, 18.03.2013

Auch am Dienstag sollen Zyperns Banken geschlossen bleiben. Rechtlich wäre ein solcher Schritt in Deutschland möglich. Eine ähnliche Situation gab es in d en 70-er Jahren. Damals waren jedoch nur einige Börsen betroffen.

Düsseldorf. Viele deutsche Bank-Kunden reagierten in Foren und soz ialen Netzwerken auf die Entscheidung in Zypern mit Bauchschmerzen und äußerten die Sorge, dass auch in Deutschland ähnliche Eingriffe möglich wären. In Zypern sind Geldautomaten gesperrt und der Zahlungsverkehr abgestellt. Nach der Entscheidung über eine Zwangsabgabe auf Bankeinlagen will die Regi erung damit eine Kapitalflucht verhindern. Vergebens versuchten Zyprer, Geld abzuheben und es bildeten sich am Samstag Schlangen vor geöffneten Banken. Auch am Dienstag sollen die Geldhäuser geschlossen bleiben.

Die deutschen Banken und Sparkassen beruhigten bereits a m Wochenende. „Deutsche Sparer müssen sich keine Sorgen machen“, sagte etwa Georg Fahrenschon, Prä sident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), dem Handelsblatt. Der Chef der U nicredit-Tochter Bank Austria warnte vor den Folgen der Zwangsabgabe für Zyperns Sparer. „Es wird d en politisch Verantwortlichen Einiges abverlangen, um klarzumachen, dass das ein singuläres Ereignis war“, sagt e Willibald Cernko am Montag. Es bleibe zu hoffen, dass das gelinge.

Ein Ansturm auf Banken ist eine große Gefahr für die S tabilität jedes Banksystems. Im Herbst 2008 waren Kanzlerin Angela Merkel und der damalige Finanzminister Peer Steinbrück vor die Presse getreten , um der Bevölkerung die Sorge vor einem instabilen Finanzsystem zu n ehmen. Unter anderem waren in den Wochen zuvor 500-Euro-Scheine stark gefragt gewesen. Eine Plünd erung von Konten oder Geldautomaten blieb damals aus. Die Bundesregierung musste nicht in den Gift schrank greifen. Dort steht für Notfälle ein heftiges Mittel parat – ganz wie in Zypern.

Denn rein rechtlich können Banken auch in Deutschland vorü bergehend geschlossen werden – per Rechtsverordnung durch die Bundesregierung. Die Regieru ng des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt hatte 18. März 2013 schon einmal Ähnliches beschlossen. Damals ging es allerdings nur um bestimmte Börsen und nicht um die Banken. Im Jahr 1973 war die Situation ähnlich dramati sch wie heute auf Zypern. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren die Währungen der wichtigsten Industrie länder zu einem festen Wechselkurs an den Dollar gebunden. Dieses System fester Wechselkurse stand Anfang des Ja hres vor dem Zusammenbruch.

Um den festen Wechselkurs aufrecht zu erhalten, musste die Deutsche Bundebank seit Februar 1973 pro Tag für etwa 3 Milliarden D-Mark amerikanische Dollar kaufen . Auf Dauer war das wegen der damit verbundenen Inflationsgefahr nicht durchzuhalten. Daher entschlosse n sich Bundesregierung und Bundesbank zur Freigabe des Wechselkurses der D-Mark. Im Prinzip war das eine Einlad ung für Spekulanten. Denn es war klar, dass die D-Mark nach einer Freigabe des Wechselkurses aufwerten würd e. Um eine Spekulationswelle und Chaos zu verhindern, blieben die Devisenbörsen in Deutschland 16 T age lang vom 2. bis 18. März 1973 geschlossen.

Eine Option für solche weit greifende Entscheidungen i st festgehalten in Paragraph 47 des Kreditwesengesetzes . Dort heißt es: „Sind wirtschaftliche Schwierigkeiten bei Kreditinstituten zu befürchten, die schwerwiegende Gefahren für die Gesamtwirtschaft, insbesondere den geor dneten Ablauf des allgemeinen Zahlungsverkehrs erwarten lassen, so kann die Bundesregierung durch Recht sverordnung (…) anordnen, dass die Kreditinstitute für den Verkehr mit ihrer Kundschaft vorübergehend geschl ossen bleiben und im Kundenverkehr Zahlungen und Überweisungen weder leisten noch entgegennehmen dü rfen.“ Vor einem entsprechenden Beschluss muss lediglich die Bundesbank angehört werden.

Branche schweigt, um Verunsicherung zu vermeiden

Der Passus macht deutlich: Das Sperren von Geldautomaten vo n einem Tag auf den anderen muss gesetzlich von Banken gewährleistet sein. Darüber reden mag keiner von mehreren von Handelsblatt Online befragten Banken, Geldautomatenbetreibern, oder -herstellern. Ü ber einen vermeintlichen „roten Knopf“ schweigt die Branche aus Sorge vor möglichen Hacker-Angriffen und dem generellen Wunsch, keine Unsicherheit bei Sparern auszulösen. Tatsächlich hat der Zypern-Beschluss auch keine unmittelbare Auswirkung auf deutsche Sparer.

Auch die Wiederaufnahme des Bankgeschäfts nach einem „Bankf eiertag“ kann mit Beschränkungen stattfinden. Denn laut Paragraph 48 des KWG ist die Bundesregierung auch dazu befugt – ebenfalls nach Anhörung der Bundesbank. Die Bundesregierung „[…] kan n hierbei insbesondere bestimmen, dass die Auszahlung von Guthaben zeitweiligen Beschränkungen unterl iegt. Für Geldbeträge, die nach einer vorübergehenden Schließung der Kreditinstitute angenom men werden, dürfen solche Beschränkungen nicht angeordnet werden.“

Hierzulande sind zwar keine unmittelbaren Kürzungen der Bankeinlagen angekündigt, dennoch büßen Sparer bereits Vermögen ein. „Viele Sparer verlieren heute sch on in kleinen Schritten Jahr für Jahre Kaufkraft, weil Sparzinsen die Preissteigerungen oft nicht mehr ausgleich en“, sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

„Die Amerikaner machen vor, wie eine glaubwürdige Sic herung aussieht: Dort haftet der Staat für die Sicherh eit der Einlagen – bis zu einer Grenze von 250.000 Dollar – und kassiert auch eine entsprechende Umlage. Eine zuverlässige Neuregelung der Einlagensicherung in Europa ist also überfällig, um die Unsicherheit, die nun seit fünf Jahren mit jeder Krisenwelle neu hoch kommt, ein für alle Mal zu beenden.“ In Deutschland sind die Banken gesetzlich zur Einlagensicherung verpflichtet. Was ein e Absicherung der Spareinlagen durch die Regierung angeht, gilt immer noch das gesprochene Wort aus 2008 – allerdings mit Einschränkungen.

Denn bei kleineren Pleiten wie der Insolvenz der Noa Ba nk hatte der Staat keine Absicherung über die gesetzlichen Vorgaben hinaus gegeben. Damals hieß es zur B egründung, dass deren Aus nicht durch die Finanz- und Schuldenkrise ausgelöst worden sei.

Regierungssprecher Steffen Seibert hat jedoch versichert, dass die Garantie von Bundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Krisenjahr 2008 für deutsche Spareinlagen Bestand hat. „Es ist das Merkmal einer Garantie, dass sie gilt.“ Der Fall Zyperns, wo sich die Sparer am Rettungspaket für das Land beteiligen sollen, nannte Seibert einen „Sonderfall“. Die Lösung dort habe „kei ne Parallelen zu anderen Ländern und deswegen auch keine Auswirkungen auf sie“.

Mit Material von Reuters und dpa